Nach seinem Studium in International Management und einem Praktikum bei Engel & Völkers, ist er die Karriereleiter hochgeklettert und leitet heute alle geschäftlichen Aktivitäten des globalen Immobiliendienstleisters in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wir haben bei ihm nachgefragt, vor welchen Herausforderung er in seiner Arbeit steht und wie die großen wirtschaftlichen Trends und Geschehnisse die Immobilienbranche verändern.
Till-Fabian, wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Immobilienbranche ausgewirkt?
Vollumfänglich: Wie auch in anderen Branchen, hat die Corona-Pandemie zunächst einmal das Tagesgeschäft im In- und Ausland deutlich ausgebremst. Im Bereich der Immobilienvermittlung konnten zum Beispiel gängige Prozesse wie Objektbesichtigungen oder Termine der öffentlichen Verwaltung gar nicht mehr – oder nur sehr eingeschränkt – stattfinden. Aufgrund von weltweiten gesundheitlichen Ausfällen kommt es zudem bis heute zu Verzögerungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie das Grundverständnis von Arbeit und Freizeit in ein anderes Verhältnis gesetzt. Typische Büroarbeit findet heute in Teilen komplett im Homeoffice statt. Das stellt natürlich die ganze Branche vor große Herausforderungen, weil sich hieraus mittelfristig ein anderer Gebäudebedarf ergeben könnte. Zudem ist auch durch die Pandemie zu beobachten, dass neben der allgemein bekannten zeitlichen Entgrenzung von Arbeit auch die räumliche zunimmt. Folglich ist der Wunsch nach mehr Wohnraum mit einem zusätzlichen Zimmer für die Heimarbeit oder Rückzugsorte wie ein Garten, eine Terrasse oder ein Balkon größer geworden. Auch die Rückkehr von der Stadt ins Land spielt hierbei eine wichtige Rolle, welche sich bei uns sehr positiv in den Flächenregionen widergespiegelt hat.
Vor welchen Herausforderungen steht die Immobilienbranche aktuell?
Losgelöst von den zuvor genannten Herausforderungen der Corona-Pandemie steht die Branche aktuell vor ökonomischen Veränderungen. Einerseits beobachten wir weiterhin eine hohe Nachfrage nach Immobilien. Vor allem in innerstädtischen Lagen ist das Angebot begrenzt. Die Immobilie als Kapitalanlage ist aufgrund der globalen Unsicherheiten an den Finanzmärkten weiterhin begehrt. Wie sich dies im Zuge der jüngsten Leitzins-Anpassung der Europäischen Zentralbank verändern wird, bleibt abzuwarten. Weitere Herausforderungen bestehen aktuell in den weiter steigenden Baukosten sowie durch die verstärkte Ressourcenknappheit, die noch einmal durch die Russland-Ukraine-Krise beflügelt wird. Erhöhte Zinsen und steigende Baukosten werden die Planung und Fertigstellung von Neubauvorhaben verzögern.
Wie auch in anderen Branchen zu beobachten, durchlebt die Immobilienbranche einen Wandel durch die Digitalisierung. Gefordert sind heute auf Seiten aller Marktteilnehmer offene Strukturen und ganzheitlich vernetzte Dienstleistungen, die sich jederzeit flexibel an die sich wandelnden Bedürfnisse der Kunden anpassen. „Heute“ zu wissen, was unsere Kunden „morgen“ benötigen, wird mehr und mehr der Schlüssel zum Erfolg sein.
Du hast gerade bereits ein großes Thema, welches die Wirtschaft aktuell besonders herausfordert, angesprochen: Die Digitalisierung. Wie wird diese die Immobilienbranche deiner Meinung nach in den kommenden Jahren verändern?
Die Digitalisierung hält bereits enormen Einzug in die Immobilienwirtschaft. Dies ist auch zwingend notwendig, weil sich unsere Welt in einem tiefgreifenden und immer schneller werdenden Wandel befindet. Besonders transparent wird die Digitalisierung im Bereich der Immobilienvermittlung. Ob Neubauprojekte vor Fertigstellung oder Bestandsimmobilien – der Kunde erwartet heute mindestens realitätsnahe Visualisierungen und virtuelle Rundgänge zu jeder Tageszeit. „Virtual Reality“ ist das Stichwort. Zudem birgt die Immobilienwirtschaft ein enormes Automatisierungspotenzial. Hier wird der Schwerpunkt allgemein in der Verwaltung liegen. Sei es die Verwaltung der eigenen Immobilie oder die der Finanzen. Jegliche Dienstleistungen rund um die Immobilie werden sich in Zukunft zentral und automatisiert über verschiedene Plattformen organisieren lassen. Die Herausforderung besteht vor allem darin, diese intuitiv und so ortsunabhängig wie möglich zu gestalten.
Ein weiteres herausforderndes Thema für Unternehmen ist der Umgang mit Nachhaltigkeitsaspekten. Wie macht sich das Thema Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche bemerkbar?
Das Thema Nachhaltigkeit ist für die Immobilienbranche essentiell, denn sie gehört zu den Wirtschaftszweigen mit den höchsten Treibhausgasemissionen. Die Öffentlichkeit, Investoren sowie die Politik fordern umfassende Anpassungen in den Geschäftsmodellen und Produkten der Immobilienwirtschaft. Denn diese muss ihre CO-2 Emissionen im Vergleich zu den 1980er Jahren um ca. 80 Prozent senken.
Wie auch in der Automobilindustrie oder der Textilwirtschaft ist die kompromisslose Berücksichtigung der ESG-Kriterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu verfolgen. „Circular Economy“ – also die energiereduzierte Herstellung von langlebigen Baustoffen aus recyceltem Altmaterial – wird eine besonders große Rolle spielen wie auch das Thema „Sustainable Finance“. Unternehmen ist also zu empfehlen, sich frühzeitig strategisch zu Umweltaspekten, ihrem eigenen ökologischen Fußabdruck und insbesondere zum sozialem Engagement zu positionieren, um auch in Zukunft noch wettbewerbsfähig zu bleiben.
Vielen Dank für deine Zeit und die Einblicke.